Eleison Comments in German

DCCXXI #721 08. Mai 2021
Ein VIerteljahrtausend Beethoven

Von Gott begnadet, schuf der Meister aus Bonn der Tonkunst gewaltigste Werke
Ein Vierteljahrtausend nach seiner Geburt schenkt er weiterhin Freude und Stärk

Warum beeinflussen Filme die Menschen dermassen stark? Weil sie alle, die Katholiken nicht ausgenommen, eine menschliche Natur haben; die menschliche Natur Musik, Geschichten und Bilder braucht; und der Film alle drei verbindet. Dies war der Grund dafür, dass die Feinde Gottes nach der Gründung Hollywoods zu Beginn des 20. Jahrhunderts flugs alle Hebel in Bewegung setzten, um es unter ihre Kontrolle zu bekommen, weil sie – anscheinend besser als Gottes Freunde – sehr rasch begriffen hatten, welch gewaltigen Einfluss auf die Geister und Herzen der Menschen sie dank ihm erringen würden. Man könnte sogar sagen, dass diese Feinde Hollywood erst geschaffen haben. Jedenfalls sollten sich zumindest katholische Eltern bewusst sein, wie wichtig es ist, zu wissen und zu lenken, was für Musik ihre Kinder hören, und Dschungelmusik deshalb strikt aus dem Haus verbannen.

Dies ist eine höchst schwierige Aufgabe, denn sobald diese Kinder das Haus verlassen, stehen sie einer alles überwuchernden Dschungelkultur gegenüber und sehen sich insbesondere dem Gruppendruck ihrer Altersgenossen ausgesetzt. Die Kinder müssen lernen, auf eigenen Füssen zu stehen. Ihre Eltern sollten ihnen mit gutem Beispiel vorausgehen und selbst keine schlüpfrige, misstönende oder unmoralische Musik hören. Nicht selten ist die erste Tür, durch die sich der Teufel Zugang zu Kinderseelen verschafft, schlechte Musik, und der Rest der Dekadenz folgt dann fast von selbst. Seit jeher zelebriert Mutter Kirche die Messe mit guter Musik – veranlasst dies katholischen Eltern denn nicht zur Schlussfolgerung, dass der Teufel schlechte Musik als Einfallstor in die Seelen ihrer Kinder benutzen wird, wenn dort niemand Wache hält? Musik ist eine einzigartige Sprache der Seele und übt einen einzigartigen Einfluss auf das ganze Leben der Menschen aus.

Am 16. Dezember letzten Jahres jährte sich der Geburtstag Ludwig van Beethovens zum zweihundertfünfzigsten Male – ein passender Anlass, sich den Wert und die Bedeutung guter Musik in Erinnerung zu rufen. Musikliebhaber werden vielleicht einwenden, Beethovens Musik sei allzu stürmisch, und sie selber bevorzugten frühere Komponisten aus ruhigeren Zeiten. Bitte sehr! Und wenn sie wirklich eine Vorliebe für die früheren Komponisten haben, dann sollen sie ihren Kindern unter allen Umständen an dem teilhaben lassen, was sie selbst besitzen. Doch was Beethovens Schaffen so wertvoll macht, ist die Tatsache, dass er, der er von 1770 bis 1827 lebte, unter dem Ancien Régime, als noch der alte Lebensstil galt, geboren wurde, als junger Mann die Französische Revolution (1789–1794) erlebte, seinen mittleren Lebensabschnitt in einer durch diese Revolution geprägten Zeit verbrachte, und seine letzten zwölf Lebensjahre nach dem Wiener Kongress (1815), als sich Europa bemühte, die revolutionären Kräfte, die man auf es losgelassen hatte, zu bändigen. Doch wie in Beethovens Musik liessen sich diese Kräfte nicht wirklich zähmen; sie haben die Welt seither im Gegenteil mehr und mehr verändert, so dass heute zahllose junge Menschen kein Gefühl für Musik haben, die vor Beethoven geschaffen wurde, während sie in dem Meister aus Bonn deutlich das Chaos spüren, dass in ihnen selbst tobt.

Freilich ist Beethovens Musik keinesfalls ausschliesslich, oder vorwiegend, chaotisch. Die alte Ordnung steckt ihm, der unter ihr aufgewachsen ist, immer noch in den Knochen und erlaubt es einem mächtigen musikalischen Geist, leidenschaftliche Gefühle zu formen und zu kontrollieren. Dies ist der Grund dafür, dass Beethovens architektonische Leidenschaft – oder leidenschaftliche Architektur – so einzigartig ist. Leicht verallgemeinernd kann man sagen, dass die Meisterwerke aus seiner reiferen Lebensepoche mehr Gefühle ausdrücken als jene irgendeines der ruhigeren Komponisten, die seine Vorgänger waren, jedoch zugleich mehr Ordnung als jene seiner wilderen Nachfolger. So wie Shakespeare, der in der Übergangsperiode zwischen dem Mittelalter und der Neuzeit lebte, seinen Status als Dichter von Weltrang gewissermassen seiner Verbindung von mittelalterlicher Theologie und moderner Psychologie verdankt, kann man Beethovens Grösse, wiederum leicht vereinfacht, damit erklären, dass er einen Kopf des 18. Jahrhunderts mit einem Herzen des 19. Jahrhunderts verband.

Er hat viele Arten von Musik geschaffen, insbesondere eine Oper, zwei Messen, fünf Klavierkonzerte, neun Symphonien, zehn Violinsonaten, siebzehn Streichquartette und zweiunddreissig Klaviersonaten, aber am beliebtesten und bekanntesten sind zweifellos seine neun Symphonien, bei denen das vollständige Orchester, über welches er verfügte, sowie die völlige schöpferische Freiheit, die er hier genoss, es seinem Genie ermöglichten, sich in höchster Vollendung zu entfalten. Für ein ungeübtes Ohr mögen die Symphonien alle sehr ähnlich klingen, doch je öfter man sie hört, desto schwieriger wird es zu sagen, welche zwei davon einander am meisten gleichen, so grundverschieden sind sie alle neun. Geschriebene Worte können nicht sagen, was Musik zu sagen vermag, aber in einer künftigen Ausgabe dieser”Kommentare”soll versucht werden, die Symphonien zu beschreiben. Die beispiellos grossartige Kultur weisser europäischer Männer darf um keinen Preis verloren gehen! Sie trägt Gott in sich.

Kyrie eleison.